In immer mehr Stelleninseraten liest man heute Sätze wie „Ein Motivationsschreiben benötigen wir nicht“ oder „Bitte nur CV, Arbeitszeugnisse und Diplome einreichen“. Auf den ersten Blick klingt das bequem – weniger Aufwand für Bewerbende, schnellere Prozesse für Unternehmen.
Doch aus meiner Sicht – und Erfahrung aus der Bewerbungsberatung – ist dieser Trend bedauerlich. Denn dadurch reduziert sich eine Bewerbung fast ausschliesslich auf Hard Skills, Stationen im Lebenslauf und messbare Leistungen. Was jedoch völlig verloren geht, ist das „Warum“ eines Menschen:
Warum liebt jemand seine Arbeit?
Was treibt ihn an?
Was macht ihn persönlich aus – jenseits der Fakten im Lebenslauf?
Genau hier entfaltet ein gut geschriebener Bewerbungsbrief seine Kraft. Es ist nicht eine Zusammenfassung des Lebenslaufs, sondern etwas völlig anderes: Es zeigt Persönlichkeit, Haltung, Leidenschaft und Motivation. Und gerade weil so viele Kandidatinnen und Kandidaten darauf verzichten oder nur Standardfloskeln verwenden, kann ein nicht 0815-Motivationsschreiben heute zum entscheidenden Türöffner werden.
Viele Bewerbungen wirken austauschbar: Ähnliche berufliche Stationen, ähnliche Weiterbildungen, ähnliche Formulierungen. Personalverantwortliche sehen oft hunderte solcher Dossiers – und treffen Entscheidungen in Sekunden.
Wenn jedoch ein authentisches, gut formuliertes Motivationsschreiben beiliegt, das klar zeigt, wer der Mensch hinter den Bewerbungsunterlagen ist, dann entsteht sofort ein persönlicher Bezug. Ein solches Schreiben macht neugierig, schafft Vertrauen und gibt Einblick in die innere Motivation – etwas, das kein tabellarisch aufgebauter Lebenslauf leisten kann. Genau deshalb empfehle ich meinen Kundinnen und Kunden im Bewerbungscoaching immer wieder:
WENN DU ETWAS ZU SAGEN HAST, SAG ES. AUCH WENN ES NICHT VERLANGT WIRD
Denn Motivation, Werte und Persönlichkeit sind oft das Zünglein an der Waage. Und gerade in Blindbewerbungen, in denen man sich ohne konkretes Inserat präsentiert, ist ein starkes Bewerbungsschreiben fast unverzichtbar.
Leider wirken viele Schreiben eher wie eine Pflichtübung oder wie KI-generierte Textbausteine. Es sind oft eine Aneinanderreihung von Schlagworten, ohne Beispiele, ohne Tiefe, ohne Persönlichkeit.
Ich sehe das regelmässig in der Bewerbungsberatung. Dieses Beispiel aus einem Coaching zeigt das deutlich.
Bewerbung als Medizinische Praxisassistentin
Sehr geehrter Herr Dr. XXX
Sollten Sie kurzfristig oder in naher Zukunft einen motivierten und zuverlässigen Mitarbeiter als medizinische Praxisassistentin suchen, bewerbe ich mich gerne zum heutigen Zeitpunkt auf die Stelle.
Gegenwärtig arbeite ich bei Dr. med X. Mustermann als MPS (Arbeitspensum 80%) in ungekündigter Anstellung und suche eine neue Herausforderung im pädiatrischen Umfeld, Arbeitspensum für 100%.
Ich bin Mutter von zwei Kindern, Mädchen 12 Jahre und Junge 10 Jahre. Zu meinen Fähigkeiten und Stärken gehören sehr gute deutsch- und englisch Kenntnisse, über 25 Jahre Berufserfahrung, Eiseninfusionen setzen, Wundpflege, Röntgen, mithilfe bei der Aufbereitung und Wartung der Instrumente, wie Ausdauer, Durchsetzungsvermögen und den korrekten Umgang mit Patienten. Die Arbeit im Team und Mitarbeit schätze ich sehr.
Auch wenn Sie aktuell keine Arbeitsstelle als MPA in Ihrer Praxis zu besetzen haben, freue ich mich, wenn meine Spontanbewerbung zu einem späteren Zeitpunkt Berücksichtigung findet. Für weitere Informationen stehe ich Ihnen telefonisch oder schriftlich gerne zur Verfügung und sende Ihnen beiliegend meinen Lebenslauf , Arbeitszeugnissen und Zertifikate.
Dieses Schreiben wirkt leider blass, nichtssagend und ohne Bezug zu den realen Erfahrungen und Stärken der Bewerberin. In keinem Satz steht, warum diese Person ihren Beruf liebt oder was sie besonders macht.
Zudem wendet sich diese Bewerbung an einen Fachspezialisten in der Pädiatrie (Kinderheilkunde), also ein Gebiet, das man zum einen lieben, aber wo man auch spezielle persönliche Fähigkeiten mitbringen muss, die nur bis zu einem gewissen Grad erlernbar sind. Auch auf diese Eigenschaften geht die Bewerberin nicht ein.
Dieses Beispiel zeigt sehr gut, warum viele Motivationsschreiben nicht ihren Zweck erfüllen. Obwohl die Kandidatin viel Erfahrung mitbringt und fachlich offenbar sehr kompetent ist, bleibt der Text:
1) AUSTAUSCHBAR UND GENERISCH
Es wird kein einziger Satz formuliert, der erkennen lässt,
warum sie zum Beispiel MPA geworden ist
was sie an ihrem Beruf liebt
welche Werte sie im Umgang mit Patientinnen und Patienten leiten
oder warum gerade eine pädiatrische Praxis ihr Ziel ist
Das Schreiben könnte so wortwörtlich von hunderten anderen MPAs stammen.
2) ES FEHLEN BEISPIELE UND PERSÖNLICHKEIT
Stärken wie Ausdauer, Durchsetzungsvermögen, korrekter Umgang mit Patienten bleiben reine Behauptungen.
Ohne Beispiele wirken sie leer. Was Personalverantwortliche, oder wie in diesem Beispiel hier der praxisinhabende Arzt aber wirklich anspricht, sind konkrete Situationen wie:
„Besonders wichtig ist mir, Kindern die Angst vor der Untersuchung zu nehmen – das gelingt mir oft durch…“
„Ich liebe die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Medizin und Betreuung, weil…“
3) AUFZÄHLUNGEN STATT MOTIVATION
Statt Einblick in ihre Motivation für Tätigkeit in einer Kinderarztpraxis zu geben, listet sie lediglich Tätigkeiten und Fähigkeiten auf – Inhalte, die bereits im CV stehen. Damit verfehlt der Text den Zweck eines Motivationsschreibens komplett.
4) KEIN ROTER FADEN, KEIN PERSÖNLICHER BEZUG
Es gibt keine klare Botschaft, keinen Bezug zur Praxis, keine Vision. Ein Motivationsschreiben sollte jedoch zeigen:
„Das ist der Mensch hinter dem Lebenslauf“
„Darum passt er zu Ihrer Praxis“
„Darum möchte er genau dort arbeiten“
5) FORMALE PUNKTE
Wiederholungen („bewerbe ich mich gerne … auf die Stelle“ bei einer Blindbewerbung ohne konkret ausgeschriebene Stelle)
Uneinheitliche Schreibweise, fehlende Kommas, unruhige Grammatik
Im gemeinsamen Austausch haben meine Kundin und ich ihr Motivationsschreiben von Grund auf neu gestaltet. Im Gespräch versuchte ich herauszufinden, warum Sie den Beruf als medizinische Praxisassistentin damals als Lehre gewählt und bis heute die Treue gehalten hat. Ihr Lebenslauf macht ersichtlich, trotz der Geburt ihrer beide Kinder war sie immer berufstätig und bildete sich laufend weiter. Dieses grosse Fachknowhow war meiner Kundin gar nicht mehr bewusst. Sie sah in sich leider nur noch die Mitvierzigerin, die sich beruflich verändern will und wohl wenig Chancen haben wird, aufgrund ihres Alters. Ihr Mindset war dementsprechend wenig ausgeprägt. Keine gute Voraussetzung für die aktive Stellensuche...
Entstanden ist dieser Bewerbungsbrief:
Bewerbung als Medizinische Praxisassistentin – Spontanbewerbung
Sehr geehrter Herr Dr. XXX
Seit vielen Jahren höre ich in meinem Umfeld – besonders von Eltern aus meinem Netzwerk – immer wieder sehr positive Rückmeldungen über Ihre pädiatrische Praxis. Die einfühlsame Betreuung, der ruhige Umgang mit den Kindern und die hohe fachliche Kompetenz Ihres Teams werden oft hervorgehoben. Die positiven Rückmeldungen aus meinem Umfeld machen deutlich, wie wertvoll Ihre Arbeit ist – das möchte ich aktiv unterstützen, mich beruflich weiterentwickeln und meine Erfahrung künftig im pädiatrischen Umfeld einbringen, das für seinen menschlichen Umgang und seine hohe Qualität bekannt ist.
Ich arbeite seit über 25 Jahren als medizinische Praxisassistentin in Hausarztpraxen und schätze die Nähe zu den Patientinnen und Patienten sehr. Mit Mitte 40 möchte ich einen neuen beruflichen Schwerpunkt setzen und mein Fachwissen in der Pädiatrie vertiefen. Dieser Fachbereich interessiert mich deshalb besonders, weil sie medizinische Kompetenz mit Empathie, Ruhe und Geduld verbindet – Eigenschaften, die meinen Arbeitsstil seit jeher prägen. Als Mutter zweier Kinder weiss ich, wie es sich anfühlt, wenn das eigene Kind krank ist. Diese Perspektive hat mich gelehrt, feinfühlig zu kommunizieren, gut zuzuhören und sowohl das Kind wie auch die Eltern ernst zu nehmen. Nichts bringt mich so schnell aus der Ruhe – weder ein ängstliches Kind noch ein hektischer Moment. Ich erkläre medizinische Handgriffe einfach und verständlich, nehme mir Zeit, dränge nicht und arbeite gerne mit kleinen humorvollen Ablenkungen, wenn ein unangenehmer Picks bevorsteht. Es ist mir ein grosses Anliegen, Vertrauen aufzubauen und eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich Kinder sicher fühlen.
Mir ist bewusst, dass der Praxisalltag nur dann reibungslos und angenehm für die kleinen Patientinnen und Patienten verläuft, wenn das Team gut zusammenarbeitet, sich gegenseitig unterstützt und ergänzt. Ich schätze den fachlichen wie persönlichen Austausch im Team sehr und setze mich aktiv dafür ein, dass Zusammenarbeit gelebt wird. In meiner aktuellen Anstellung habe ich vor 2 Jahren begonnen, alle drei Monate einen Teamabend zu organisieren. Mittlerweile hat sich diese Tradition so etabliert, dass die Organisation im Wechsel von allen Teammitgliedern übernommen wird. Der letzte Abend führte uns zum Kerzenziehen mit anschließendem Punsch trinken auf dem Adventsmarkt – eine Gelegenheit, einander auch abseits des Praxisalltags näher kennenzulernen und den Zusammenhalt zu stärken.
Besonders am Herzen liegt mir im medizinischen Alltag das Röntgen – eine Tätigkeit, die ich nicht nur gerne ausübe, sondern zu der ich mich kontinuierlich fachlich weiterbilde. Ich lese regelmässig Fachartikel über Strahlenschutz, Bildgebungstechniken und den sicheren Umgang mit Patientinnen und Patienten, um mein Wissen stets auf dem neuesten Stand zu halten. Das Röntgen von Kindern stellt für mich eine spannende neue Herausforderung dar, da die kleinen Patientinnen und Patienten oft unruhiger sind als Erwachsene. Hier ist eine ruhige Hand entscheidend für ein gutes Bild. In meiner bisherigen Erfahrung habe ich sehr gute Erfolge damit erzielt, Kindern eine Plüschfigur mitzugeben, die sie in den oft dunklen Röntgenraum begleitet und ihnen Sicherheit vermittelt. So gelingt es, die Untersuchung ruhig und entspannt durchzuführen und gleichzeitig Vertrauen aufzubauen.
Auch wenn aktuell keine Stelle zu besetzen ist, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie meine Spontanbewerbung zu einem späteren Zeitpunkt berücksichtigen. Für ein persönliches Gespräch stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung und sende Ihnen im Anhang meinen Lebenslauf sowie alle relevanten Zeugnisse und Zertifikate.
Freundliche Grüsse
XXX
Dieses Beispiel zeigt, wie ein gut formuliertes Motivationsschreiben weit mehr sein kann als eine reine Aufzählung von Fähigkeiten: Es vermittelt Persönlichkeit, Motivation und Engagement – und macht neugierig auf die Person hinter der Bewerbung. Gerade jetzt, wo viele Firmen auf ein Bewerbungsschreiben verzichten, kann ein authentischer, individueller Brief den entscheidenden Unterschied machen.
Wenn Sie Unterstützung dabei möchten, Ihre Bewerbungsunterlagen authentisch, zielgerichtet und überzeugend zu gestalten, begleite ich Sie gerne in Form eines individuellen Bewerbungscoachings. Gemeinsam erarbeiten wir ein Bewerbûngsschreiben, das Ihre Persönlichkeit und Motivation klar transportiert und Ihre Chancen auf Vorstellungsgespräche deutlich erhöht.
